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Mendelssohn in der grünen Mark

Chorseminar der Harmonie 1865 von 23.8. bis 27.8.2017 in Friedberg und Pinggau.

Von Susanne Hofmann

 

Schlafen und Essen

Am sonnig-warmen Mittwoch, dem 23. August traf zwischen 15 und 16 Uhr die vorsichtig erwartungsfrohe Sängergemeinde des traditionsreichen Floridsdorfer Amateurchors "Floridsdorfer Harmonie 1865" in Friedberg trüppchenweise im Hotel Adler ein.

Um 16:30 wurden die Seminarteilnehmer vom örtlichen Faktotum, Korporal Alfred Hönigschnabel, seines Zeichens Kapellmeister der Blasmusik Pinggau, in Empfang genommen. Die Stärke der Gruppe - immerhin knappe 40 Sänger und Sängerinnen - brachte es mit sich, dass die Seminarteilnehmer auf drei örtliche Gästehäuser verteilt untergebracht waren:  im Hotel Adler in Friedberg, dem Gasthof Pötz und dem Gasthof Prenner in der benachbarten Gemeinde. Jeden Mittag übernahm eines der Gasthäuser die Verpflegung der verstreuten Gruppe, sodass man stets sehr gesellig speiste. Die Organisation des Menüs per Stricherlliste übernahm natürlich Alfred, der auch alle anderen Probleme oder Schwierigkeiten ideenreich und keine Mühen scheuend meisterte. So wurden kleinere Probleme mit der Unterbringung friktionsfrei gelöst, man tauschte diskret Zimmer und es wurde kurzerhand eine Spontanwohngemeinschaft gegründet -  wo? Natürlich beim Tausendsassa Alfred in der Bahnhofstraße.

 

Entspannen und Feiern

Nicht weniger gesellig gestalteten sich die Abende, am Donnerstag beim Biolandwirt Riebenbauer mit bodenständigem Buffet und zu späterer Stunde mit Chorleiter Christoph Huber an der Steirischen Harmonika. Am Freitag wurde vor der Musikschule virtuos gegrillt, natürlich von Alfred, der im Vorfeld schon alles organisiert und beschafft hatte. Die jungen Musiker der Blasmusik Pinggau stellten sich ein mit einem zünftigen Konzert. Bei den Gstanzln hatten sie die Nase vorn, da gab eines das andere, tatkräftig unterstützt durch Christoph an der Steirischen Harmonika. Zum besseren Vernetzen der ohnehin schon durch Bier und Weinkonsum geforderten Gehirnhälften wurde gleich auch noch ein Schuhplattler-Kurzworkshop geboten. Zum Abschluss das heitere Musikstücke - Raten mit Chorrepetitor Michael Leitner am E-Piano und - falls der Text nur in Bruchstücken geläufig war - einem vielstimmigen Mitsingen auf "La". Des nachts beim Zusammenklappen der Tische unter dem Sternenzelt wollte man gar nicht weg von dieser feinen, holzgetäfelten und akustisch so ausgefeilten Musikschule. Sie war irgendwie heimisch geworden.

 

Mendelssohn, Brahms, Fauré, Bruckner

Schon beim ersten Lokalaugenschein am Mittwochabend war man entzückt und beeindruckt gewesen von der Musikschule in Pinggau, mit ihrer gediegenen, ansprechenden Ausstattung, akustisch und technisch hyperfortschrittlich und funktionell. Alfred präsentierte sozusagen das Schweizermesser eines Proberaums, der für alle Eventualitäten ausfahrbare, ausklappbare, aufsteckbare und wegfaltbare Armaturen hinter einer warmen Holztäfelung verbarg. Flugs wurden gleich am Mittwoch noch die Stühle arrangiert, man richtete sich häuslich ein (Mappen und Stifte konnte man ja über Nacht dort lassen, himmlisch!) und die nächsten drei Tage wurde fleißig vormittags und nachmittags geprobt. Felix Mendelssohn Bartholdys Psalm Nr. 42, vulgo "Hirsch", stand im Zentrum des Probenprogramms. Um die Sängerschaft an seine Vision der Musik von Mendelssohn, für den er "auf der Welt ist", heranzuführen, griff Christoph Huber, engagierter Chorleiter der Harmonie seit 2015, zu manch einem kreativen, humorvollen Sprachbild. Beim 4. Chor musste "es scheppern“, der Anfangston musste "picken" und irgendwann gab es den Hinweis an die Tenöre, "ihr könnt jetzt praktisch das F heiraten, weil da seid ihr nur auf dem F". Es wurde dem Chor das Bügeln der Melodien verboten, Töne wurden mit "einem kleinen Blatt Papier getrennt" und Bühnensprache wurde mit dem Wort "Preiselbeeren" nahegebracht. Die Sängerinnen und Sänger wandelten singend durch den Raum, oder es wurden ihnen in gemischter Aufstellung der angestammte Nachbar entzogen, auf den es sich sonst so trefflich bei den Einsätzen stützen lässt. So versanken im 7. Chor auch mal des Psalms flehende Seelen in ratloser Kakophonie, um sich wie durch Schwarmintelligenz geleitet, plötzlich in den kunstvoll geschwungenen syllabischen Melodieläufen von Mendelssohns Ewigkeiten wieder in Harmonie zusammen zu finden. Zur Entspannung und zum Vom-Blatt-sing-Training ein Kunstlied von Brahms, ein Volkslied, oder ein Marienlied von Bruckner. Zum Drüberstreuen auch ein paar Durchgänge über die Cantique de Racine, das Chor"seminar" verdiente wahrlich diesen Namen. Und wenn die Harmonie "Im Grünen da geht alles gut" intonierte, dann fragte man sich nicht, wo könnte es besser gehen, denn es war klar: nirgendwo als in der grünen Mark, an diesem fröhlich hügeligen Ort mit seiner malerischen Wallfahrtskirche.

 

Abendmesse

Wiewohl unbeeindruckt von gelegentlichen Stoßgebeten, den einen oder anderen Melodieverlauf des 42. Psalms gemäß Christophs Vorstellungen und den Talenten des Chors zu verändern, war  Mendelssohn doch gnädig, denn am Samstag nach einer letzten Vormittagsprobe und einer Aufstellung am Orgelchor war es dann soweit: Die Floridsdorfer sangen in der Abendmesse der Pinggauer Pfarrkirche nicht nur ihren "Hirsch" sondern auch ein ermutigendes Gospel und schließlich Rheinbergers inniges Abendlied  für eine überraschte, rundäugige und gerührte Pilgerschar.

 

Nachklang

Bei einem letzten Abendessen im Gasthaus Prenner festigte man noch einmal die Verbindung Floridsdorf - Friedberg/Pinggau mit der Idee für ein gemeinsames Frühlingskonzert im Juni 2018. Alfred wurde gebührend gefeiert. In Wahrheit war es eigentlich kaum möglich ihn so zu feiern, wie es ihm gebührt hätte, denn nicht nur hatte er Urlaubstage, sondern auch seinen unermüdlichen Einsatz und sogar seine Wohnung zur Verfügung gestellt, um dieses Seminar zu ermöglichen. Natürlich nicht nur er allein: letztendlich waren diese Tage geprägt von einem freudigen und geschmeidigen Zusammenwirken aller Beteiligten.

 

Mendelssohn, schau herab.